4 Methodik
Das Vorgehen während
einer geologischen Kartierung läßt
sich in drei grundlegende Arbeitsabschnitte
gliedern:
-
Literaturarbeit
vor und nach der Geländetätigkeit
-
Untersuchungen
im Gelände
-
Erstellung
des Berichtes und der Karten, bzw. GIS-Aufarbeitung samt Dokumentation
Die Literaturarbeit
schließt die Sichtung bereits vorhandener topograpischer und geologisch-bodenkundlicher
Karten,
sowie das Studium der geowissenschaftlichen
Fachliteratur
mit Bezug zum Untersuchungsraum ein. Zusätzlich sollten
auch Fernerkundungsdaten (Luft- und/oder Satellitenbilder, Google-Daten, WMS-Dienste etc.)
sowie Archivdaten (Bohrverzeichnisse, bodenkundliche
oder geologische Gutachten usw.) eingesehen werden. Letztere sind meist über
Behörden, Gemeindeverwaltungen, Landesämter oder Ingenieur-Büros
analog bzw. digital zu beziehen (Abb. 4.1).
Abb.
4.1: Luftbildaufnahme (Google) der beiden Steinbrüche SE' von Brochterbeck im
Rhotomagense Kalk (kc3)
Die eigentliche Geländetätigkeit
beginnt zunächst mit einer Übersichtsbegehung,
damit die Orientierung auf der Karte und im Kartiergebiet gewährleistet
ist. Während dieser Begehung sollten die ersten Beobachtungen (z.B.
wo gibt es Aufschlüsse > topogr. Karte !) bereits in der Karte und
im Feldbuch notiert werden. Nach Abschluß der Begehung erfolgt die
gezielte Aufschlußaufnahme mit Ansprache
der Lithologie, der Lagerungsverhältnisse (Streichen, Fallen vgl. Abb. 4.2), der
stratigraphischen Zuordnung der Schichtenfolge und des tektonischen Inventars
sowie der Beschreibung der Petrographie bzw. des Fossilinhaltes.
Abb.
4.2: Lokaler Aufschlußpunkt mit Schichtungsvielfalt (z.B. Schrägschichtung)
und Diskordanz
Um die im Aufschluß
aufgenommene Schichtenfolge (vgl. Abb. 4.3 und 4.4) im Gelände weiterverfolgen zu können,
muß die Morphologie in Bezug zur Geologie
des Untergrundes gesetzt werden. Unter Berücksichtigung der Lagerungsverhältnisse
werden harte und weiche Gesteinsfolgen als
'morphologische Leithorizonte' definiert, deren Verlauf an Schichtstufen, Talungen
und Geländerippen verfolgt werden kann. Störungslinien
(tektonische Lineamente wie z.B. Auf-, Ab- oder Überschiebungen....) führen ebenfalls zu linearen
Geländestrukturen, welche allerdings tektonisch gedeutet werden müssen.
Abb.
4.3: Schematisiertes Profil durch den Teutoburger Wald mit Kamm- und
Talbildungen der Kreidesedimente im SW und ältere Gesteine im NE
Abb.
4.4: Schematisiertes Härtlingsprofil durch die Kreide des Teutoburger
Waldes (kartiertechnisch hier nur 'Wealden' bis Turon)
Findet der geologische Bau
des Untersuchungsgebietes nur wenig morphologische Entsprechung und mangelt es zudem an Aufschlüssen, muß
nach Lesesteinansprache und -kartierung eine
Grenzziehung erfolgen. Hier sind vor allem Gesteine mit markanter Färbung
(z.B. Gelbkalke, rötliche Pläner...) leicht als Lesesteinhorizonte
kartierbar. Die Ausdeutung der Verteilung von Lesesteinen ist jedoch immer
abhängig von der Bodenmächtigkeit, dem Gesteinsuntergrund, dem Relief, der Verwitterungsbeständigkeit
und der Tektonik im Kartiergebiet.
Auch Quellhorizonte
sind oft unmittelbar geologisch bedingt, da an wasserstauenden Gesteinsschichten
(Aquicluden, wie z.B. Tonsteine) entlang ihres
morphologischen Ausstrichhorizontes der Wasseraustritt aus den überlagernden
kluft- und grundwasserleitenden Schichten (Aquiferen,
wie z.B. Sandsteinen) ermöglicht wird. Auch tektonische Flächen
können Quellhorizonte bedingen (z.B. flach lagernde Überschiebungsbahnen!).
Sind sowohl Morphologie und
Aufschlußbedingungen unzureichend, müssen Schürfe
oder Bohrungen angelegt werden. Die Dimension eines solchen künstlichen
Aufschlusses hängt von der Zielsetzung der Aufnahme ab. Um Lesesteine
an die Oberfläche zu bringen reicht meist eine flachgründige
Schürfung mittels Schaufel oder Hammer. Hand- bzw. Maschinenbohrungen
werden je nach nötiger Teufe (= Tiefe) angesetzt und sollen das anstehende Gestein
oder zumindest Lesesteinhorizonte erreichen.
Nachdem das geologische
Inventar des Untersuchungsraumes feststeht, werden sinnige Gesteinskomplexe
zu Kartiereinheiten zusammengefaßt;
diese sind immer auch stratigraphisch aufeinander abgestimmt!
Erscheinen allen Geländetätigkeiten
abgeschlossen, werden die Ergebnisse aus Feldbuch sowie Geländekarte
dokumentiert, interpretiert und in einem gegliederten Kartierbericht
mit geol. Karte/Profil zusammengefaßt.
Praktische
Tips und Tricks im Gelände:
- - Während der Übersichtsbegehung sollten die räumlichen Abgrenzungen des
Kartiergebietes erfaßt werden. Unter Berücksichtigung
der topographischen Arbeitsgrundlage (meist Topo-Karte 1: 10.000) läuft
man zunächst die topographischen Grenzen 'seines' Gebietes ab. Zur
Übersichtsorientierung
sollte
immer eine Wanderkarte (1: 50.000) oder eine entsprechende
topographische
Karte (hier TK-25, Blatt 3712: Ibbenbüren) mitgeführt
werden.
- - Um später Distanzen besser abschätzen zu können,
ermittelt jeder sein Schrittmaß anhand
einer festgelegten Strecke (z.B. über Maßband oder Geländepunkte
wie Straßenmarkierungen). Man läuft die Strecke (50 -100 m)
mehrfach ab und mittelt die Schrittzahl pro Durchgang. Anhand des persönlichen
Schrittmaßes können so Entfernungen
besser aufgenomen werden (Merke: Bergauf verkürzt sich das
Schrittmaß, bergab längt es sich!).
- - Lassen sich im Verlauf der
Begehung bereits interessante Aufschlüsse
lokalisieren, werden diese in Karte und Feldbuch kurz aufgenommen mit dem
Hinweis auf die vmtl. stratigraphische Zuordnung und für einen späteren, intensiveren Besuch vorgemerkt.
- - Gibt es aus der vorhergegangenen Literaturarbeit bereits
konkrete Hinweise auf wichtige Lokalitäten (auch aus Fernerkundungsdaten!),
sollten diese bereits während der Übersichtsbegehung aufgesucht
und kurz hinsichtlich späterer Detailuntersuchungen bewertet und vorgemerkt
werden.Grundsätzlich sollte
man immer einen topographischen Hochpunkt
(Bergkuppe, Aussichturm...) mit gutem Rundblick über das Gelände
aufzusuchen. Hier können morphologische Besonderheiten
im Untersuchungsraum erkannt und evtl. übersichtsmäßig
weiterverfolgt werden (Skizzen, Photos!).
- - Mit Hilfe eines sogenannten Normalprofils
für
den Kartierungsraum (gewonnen aus der Literatur; es beinhaltet die typischen
Abfolgen und zu erwartenden Mächtigkeiten
der auftretenden Gesteine) sollte das Gelände anschließend erstmalig
in Querprofilen begangen werden um die Ausprägung
der Gesteinseinheiten zu erkennen. Quellhorizonte, Tal- und Bacheinschnitte
senkrecht zum Streichen können hier vielfach erste Informationen über
wechselnde Gesteinsformationen erbringen.
- - Haben sich nach Abschluß der Übersichtsbegehung die ersten geologischen/morphologischen
Eindrücke zu einem provisorischen, dreidimensionalen
Arbeits- und Kartiermodell 'im Kopf' zusammengefügt, wird mit der genauen
Aufnahme der zuvor definierten geologischen Kartiereinheiten
und ihrer Verbreitung im Untersuchungsraum begonnen.
- - Jede Kartiereinheit
besitzt eine Hangend- und Liegendgrenze, deren
Verlauf im Gelände genau erfaßt werden muß. Hierzu beginnt
man an Aufschlußpunkten, deren stratigraphische Stellung innerhalb
der Kartiereinheiten als weitgehend gesichert gilt.
- - Bei der Aufschlußaufnahme
werden im Feldbuch zunächst Uhrzeit, Lokalität, Name, Nr.
und
vermutete Kartiereinheit vermerkt. Anschließend erfolgt die
Beschreibung der Lithologie, der Schichtfolge, der Lagerungsverhältnisse,
d.h. die Aufnahme der tektonischen Meßwerte (Streichen, Fallen,
Störungsbahnen, Lineare, Harnische...);
- - Innerhalb von Sedimentgesteinen
wird zusätzlich auf Fossilführung geachtet (Leitfossilien, Proben entnehmen!).
- - gute Skizzen
und Photos mit Maßstab und Himmelsrichtungen (z.B. Zollstock,
Hammer) runden die Aufnahme ab.
- - Die Messungen
mit dem Gefügekompass (Abb. 4.5)
lassen erste Interpretationen über den Lagerungszustand der Gesteine
innerhalb einer Kartiereinheit zu. Während der Meßung ist darauf
zu achten, daß die richtigen Lagerungselemente mehrfach gemessen
werden: Schichtflächen müßen
als solche erkannt und dürfen nicht mit Schieferungs-
oder Kluftflächen verwechselt werden!
- - Die Meßwerte sind
im Feldbuch nach Entnahmepunkten zu notieren! Bei der Auswahl der Meßflächen
müßen repräsentative Flächen gewählt und ggf.
durch Anlegen des Kartierbrettes verlängert oder mittels Hammer herauspräpariert
werden. Tektonische Lineare lassen sich auch durch einen gehaltenen Bleistift
für die Messung verlängern! Während
der Messung sind der Hammer oder andere metallische Gegenstände in
ausreichender Entfernung zum Gefügekompass zu halten (magnetischer
Einfluß: Mißweisungen)!
Abb.
4.5: Aufnahme von Störungsharnischen im Aufschluß
Unter Berücksichtigung
der Mächtigkeiten, des räumlichen Abstandes zur Hangend- bzw.
Liegendgrenze und der Lagerungsverhältnisse
kann der weitere Verlauf der Kartiereinheit meist über Interpolation
außerhalb des Aufschlusses im Gelände weiterverfolgt werden. Geländerippen
oder -kanten geben Auskunft über das Austreichen von markanten, harten Gesteinsbänken,
die bereits im Aufschluß identifiziert wurden. Weiche Talungen bzw.
Verebnungen charakterisieren Areale, die sich z.B. aus Tonsteinen, Mergeln oder
ähnlich verwitterungsunbeständigen ('weichen') Gesteinen aufbauen (Abb.
4.6).
Abb.
4.6: Morphologische Ausprägung der Dörenther Sandsteine (U'Kreide)
als Klippen
Fehlen nun jegliche morphologischen Anhaltspunkte kann mittels einer Lesesteinkartierung
die Aufnahme weitergeführt werden. Lesesteine finden sich insbesondere
auf frisch gepflügten Äckern, in Grabbauten wie Maulwurfshügeln,
Wurzelballen
umgestürzter Bäume oder kleineren Schürfen (z.B.
im Straßen- bzw. Feldwegebau).
Achtung:Schottermaterial auf Wald- oder Forstwegen kann
bzgl. Lesesteinen nicht getraut werden, da dieses Material oft von
Menschen künstlich
zur Wegebefestigung herangeschafft wurde!
Unter sehr schlechten Aufschlußbedingungen
kann die Lesesteinkartierung die einzige Möglichkeit der geologischen
Kartierung sein. Sie ist naturgemäß fehlerbehaftet,
kann jedoch bei entsprechender Erfahrung der Kartierenden auch recht genaue
Ergebnisse liefern, insbesondere wenn die Gesteinsformationen starke farbliche
Variationen untereinander aufweisen (z.B. Gelbkalke, rote Mergel oder Tonsteine...)
Fossilführung oder Zusammensetzung sowie die Mächtigkeiten bei günstiger Lagerung (z.B. kaum Tektonik,
sub-sölige Lagerung, Ausstreichen der Schichten am Hang!) durchhalten
(Abb.
4.7).
Abb.
4.7: Lesesteinverteilung an der Grenze Quartär/Cenoman an der südlichen
Abdachung
des
Teutoburger Waldes nahe Brochterbeck
Tip: Wie läßt sich nun eine Grenze mittels Lesesteinen festlegen? Finden
sich z.B. auf einem frisch gepflügten Acker die Lesesteine des Typs
A, befinden wir uns inmitten der Schichtfolge A. Bei der fortschreitenden
Begehung treten neben Typ A plötzlich Gesteine vom Typ B auf; wir
befinden uns nun in der Nähe der lithologischen Grenze A/B
im Untergrund. Sobald wir ausschließlich Typ B vorfinden ist die
Grenze bereits überschritten. Die genaue Lage kann nur abgeschätzt
werden und ist zudem von der Bodenmächtigkeit und dem Gefälle
abhängig. In der Karte wird die Grenze der Gesteine A zu B entlang
des letzten Auftretens von A im Hanganstieg gezogen!
Treten im Gelände auch Quellen auf und
lassen sich einige dieser Quellen zu Horizonten
miteinander verbinden (Abb. 4.8) , so kann
man diese Information auch zur Grenzziehung zwischen Schichtfolgen heranziehen,
sofern die betroffenen Gesteine hydrogeologische Speicher bzw. Barrieren
darstellen. Im Untersuchungsraum sind dies z.B. die Aquifere
der oberen Unterkreide ('Osning-Sandsteine') gegenüber den Aquicluden
aus Tonsteinen/Mergeln der unteren Unterkreide ('Wealden') entlang der
Nordabdachung des Haupthöhenrückens.
Abb.
4.8: Quellhorizont (Kreise) im Übergang von unterem zu oberem 'Wealden' (Bückebergfolge, Berrias)